Umso erstaunlicher, dass die Schäffler Aktie nach Bekanntgabe der Zahlen um ca. 4 Prozent nachgab und im Gegensatz zum Gesamtmarkt und vielen Wettbewerben das “Vor-Corona-Niveau” noch nicht erreichen konnte. Vielmehr lässt der 5-Jahres-Chart des Aktienkurses einen kontinuierlichen Abwärtstrend erkennen und Aktionäre verloren seit 2016 fast 50 Prozent ihrer Investition.
Mittlerweile weist die Schaeffler AG ein EV/Sales Verhältnis von ca. 0,6 auf und zahlt eine Dividende von 20 Cent je Aktie, was einer Dividendenrendite von über 3 Prozent entspricht. Zudem verkündete das Unternehmen erst kürzlich den Ausbau von Fertigungskapazitäten für Windkraft in China.
Schaeffler verfolgt damit das Ziel, sich vom traditionellen Automobilgeschäft unabhängiger zu machen und vom Nachhaltigkeitstrend zu profitieren. Doch kann das der Schaeffler Aktie einen Schub geben? Und bleibt die Schaeffler Aktie ein attraktives Investment nach der Levermann- und Dividenden-Strategie? Lesen Sie in der folgenden Analyse, ob die Schaeffler Aktie ein spannendes Investment für die Zukunft sein kann.
Unternehmensprofil der Schaeffler AG
Im Vergleich zu unserer letzten Analyse aus dem November 2019 hat sich das Unternehmen nicht grundsätzlich verändert. Die drei tragenden Säulen des Geschäftsmodells beinhalten weiterhin die Sparten “Automotive OEM”, die jedoch inzwischen in “Automotive Technologies” umbenannt wurde, “Industrial” und “Automotive Aftermarket”.
Auch die Zusammensetzung des Umsatzes hat sich seit unserer letzten Analyse nur leicht verändert. Im Geschäftsbericht 2020 gibt Schaeffler den Umsatzanteil von “Automotive Technologies” mit 62 Prozent an, während “Industrials” ca. 25 Prozent zum Umsatz beiträgt. Das Segment “Automotive Aftermarket” liegt weiterhin bei 13 Prozent des Gesamtumsatzes. Der Umsatzanteil von “Automotive Technologies” verlor somit leicht zugunsten der “Industrials”, was hauptsächlich auf die starken Zuwächse der erneuerbaren Energien in China zurückzuführen ist.
Die Sparte “Automotive Technologies” bündelt Komponenten für Verbrennungsmotoren, Getriebe und Fahrwerke sowie für hybride und vollelektrische Antriebssysteme in 4 Unternehmensbereichen: E-Mobilität, Motorsysteme, Getriebesysteme und Fahrwerksysteme. Der Bereich E-Mobilität entwickelt Komponenten und Systeme für die Elektrifizierung von Antriebssträngen. Dazu gehören E-Motoren und elektrische Achsantriebe sowie Thermomanagementmodule und Komponenten für Brennstoffzellen. Während die Bereiche Getriebesysteme und Fahrwerkssysteme Komponenten für alle Antriebe produzieren, fokussiert sich die Sparte Motorsysteme ausschließlich auf Verbrenner und hybridisierte Verbrenner. Daher ist diese Sparte durch ein Fortschreiten der Elektromobilität stark gefährdet.
Der Bereich “Automotive Aftermarket” bündelt Serviceleistungen und Instandhaltungsprodukte für Automobile. Schaeffler verkauft diese Produkte an die Fahrzeughersteller, die sich wiederum um die Instandhaltung und Reparatur kümmern.
Die Sparte “Industrials” entwickelt und produziert Komponenten und Systeme für lineare und rotatorische Bewegungen. Die folgende Grafik ist dem Geschäftsbericht 2020 entnommen und beschreibt das Produktspektrum dieser Sparte:
Besonders die Lösungen, die für rotatorische Bewegungen zuständig sind und auch Lager genannt werden, spielen im Schaeffler Konzern eine übergeordnete Rolle. Sie kommen in Antriebssträngen, Produktionsmaschinen, aber auch in der Luft- und Raumfahrt innerhalb von Triebwerken sowie bei Windkraftanlagen zum Einsatz.
Schaeffler baute erst kürzlich seine Produktionskapazitäten für Großlager in Nanjing aus, das sich somit zum weltgrößten Werk der Schaffler AG für Großlager entwickelte. Großlager stützen und fixieren Bauteile und ermöglichen dabei zusätzlich deren Rotation. Neben Windkraftanlagen finden diese Großlager auch in der Schwerindustrie und in Getrieben Anwendung. Gleichzeitig versucht Schaeffler vermehrt digitale Services rund um diese Komponenten anzubieten. Ein neu vorgestelltes System stellt beispielsweise das System “OPTIME” dar. “OPTIME” ermöglicht es Unternehmen, mithilfe von Sensoren, Gateways und digitalen Services, Produktionsanlagen und Lagerstellen automatisiert und kabellos zu überwachen. Durch eine coronabedingt starke Zunahme der Nachfrage sieht das Unternehmen hier einen zentralen und margenstarken Wachstumstreiber für die nächsten Jahre.
Als Teil der Roadmap 2025, die die strategische Ausrichtung der Schaeffler AG für die nächsten fünf Jahre beschreibt, spielen Lösungen für Windkraftanwendungen für Schaeffler eine zentrale Rolle als Wachstumstreiber. Die Roadmap 2025 umfasst die 5 zentralen Themen CO2-effiziente Antriebe, Fahrwerksanwendungen, Industrielle Maschinen und Ausrüstungen, Erneuerbare Energien und Lösungen für den Ersatzteilemarkt & Services. Hier versucht die Schaeffler AG, beispielsweise über den Aufbau von Brennstoffzellenkompetenz neue Geschäftsfelder zu erschließen und für alle Arten von Antriebssträngen Lösungen anbieten zu können.
Auch dem autonomem Fahren und der Digitalisierung will Schaeffler Rechnung tragen. Es werden zunehmend datenbasierte Services und Updates angeboten und so unter anderem die Margen im “Automotive Aftermarket” Segment verbessert. Zudem fokussiert man sich im Industriegeschäft zunehmend auf Zweiräder, Nutzfahrzeuge und den Bahn- sowie Flugverkehr. Zugleich plant das Unternehmen bis 2030 CO2-neutral zu produzieren.
Zahlen und Ausblick der Schaeffler Aktie
Nach dem coronabedingten Einbruch im Jahr 2020 und einem Jahresverlust von 424 Millionen Euro, konnte Schaeffler im ersten Quartal 2021 in die schwarzen Zahlen zurückkehren. Besonders die EBIT-Marge von ca. 11 Prozent kann sich im Vergleich zum Vorjahr (-1,1 Prozent im Vorjahr) sehen lassen. Das währungsbereinigte Umsatzwachstum betrug über 11 Prozent und der Free-Cash-Flow war mit 130 Millionen Euro ebenfalls stark positiv.
Besonders in der Region “Greater China” konnte mit 57 Prozent Umsatzwachstum ein außerordentlich starkes Wachstum erzielt werden, wenngleich der Vorjahreszeitraum aufgrund des Ausbruchs der Corona-Pandemie in China nicht wirklich vergleichbar ist. In den Regionen Amerika (+6,7 Prozent), Asien ex China (+12,2 Prozent) und Europa (-0,6 Prozent) war das Wachstum deutlich niedriger.
Durch die hohe EBIT-Marge war es Schaeffler jedoch möglich, sein operatives Ergebnis von 212 auf 403 Millionen Euro fast zu verdoppeln. Ein wichtiger Treiber dieser Verbesserung sind unter anderem auch Kosteneinsparungen. Während die Anzahl der Mitarbeiter bei unserem letzten Update noch 92.000 betrug, waren es zum Ende des Geschäftsjahres 2020 nur noch etwas über 83.000. Alleine im Jahr 2020 wurden 5 Prozent der Belegschaft abgebaut. Dies ist bedauerlich, kann jedoch ein Treiber für zukünftig höhere Margen sein.
Über das starke Quartalsergebnis hinaus, hob das Unternehmen zudem seine Prognose an. Die folgende Grafik aus dem Quartalsbericht zeigt die Prognosen je Sparte für das Umsatzwachstum und die EBIT-Marge:
Für das Gesamtjahr 2025 peilt das Unternehmen in den Bereichen “Automotive Technologies” 4-6 Prozent, im Bereich “Automotive Aftermarket” 13-15 Prozent und im Bereich “Industrials” 12-14 Prozent an EBIT Marge an. Die Wachstumsziele beziffert das Unternehmen mit einer Outperformance des Kfz-Marktes im Bereich “Automotive Technologies” von 2-5% an, während das Geschäft “Automotive Aftermarkets” stärker als die globale Wirtschaftsleistung und das Geschäft “Industrials” stärker als die Industrieleistung wachsen sollen.
Wichtige Kennzahlen der Schaeffler Aktie
Derzeit kommt die Schaeffler Aktie auf einen Levermann-Score von guten 4 Punkten. Aus Sicht der Levermann Analyse sorgt die negative Eigenkapitalrendite von -23 Prozent dafür, dass es kein Ranking unter den Topscorern gibt. Die Berechnung bezieht sich jedoch auf den Gesamtjahresverlust des Vorjahres, sodass bei einem positiven Jahresabschluss in 2021 eine höherer Score folgen könnte.
Des Weiteren ist die Eigenkapitalquote mit 13 Prozent sehr niedrig und die Tendenz ist seit März 2020 (22 Prozent) stark sinkend.
Sowohl die langfristigen als auch die kurzfristigen Schulden können durch Vermögenswerte gedeckt werden. Daher ist das Risiko einer zu hohen Verschuldung, trotz der geringen Eigenkapitalquote, bei positiven Cash-Flows weiterhin gering.
Weiterhin ist die sinkende EBIT-Marge zu berücksichtigen. Allerdings beinhaltet die Grafik noch nicht die EBIT-Marge der Zahlen des ersten Quartals.
Trotz deutlich höherer Margen im aktuellen Geschäftsjahr sollte die langfristige negative Entwicklung ein Warnsignal für Anleger sein, da sie unter anderem durch strukturelle Veränderungen in der Pkw-Industrie beeinflusst wurde. Schaeffler könnte also auch weiterhin an sinkenden Margen leiden.
Die aktuelle Dividendenrendite liegt trotz der coronabedingten Kürzung der Dividende bei mehr als 3 Prozent und somit deutlich über dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre. Zugleich achtet das Unternehmen jedoch darauf, nicht zu viel des Jahresgewinns auszuschütten, sodass auch in Jahren von Verlusten durch Sondereffekte wie in 2020 eine Dividende gezahlt werden kann. Seit 2015 schüttet Schaeffler eine Dividende aus, die von Dividendensteigerungen und -kürzungen geprägt ist. Die folgende Übersicht zeigt das Scoring nach der Dividenden-Strategie:
Bewertung der Schaeffler Aktie
Rein auf finanzielle Kennzahlen bezogen, erscheint die Bewertung der Schaeffler-Aktie derzeit niedrig. Das KGV liegt bei moderaten 10. Jedoch kann man bei der Schaeffler Aktie trotz der vergleichsweise schlechten Performance der Aktie eine Ausweitung der Bewertung im 5-Jahresvergleich ausmachen.
Auch im Vergleich zu unserer letzten Analyse hat sich das KGV von 9,7 auf 10,4 leicht erhöht.
Das Forward-KGV von Schaeffler liegt bedingt durch die hohe Unsicherheit in Bezug auf die erfolgreiche Transformation zur Elektromobilität bei niedrigen 7,2. Auch dies ist im historischen Vergleich nicht sonderlich günstig. Mit Ausnahme des vergangenen Jahres, das durch hohe Abschreibungen und somit niedrige Gewinne bzw. Verluste nach Sondereffekten beeinflusst war, lag das Forward-KGV in den vergangenen Jahren stets zwischen 5 und 6.
Obwohl es also im Vergleich besonders mit dem allgemein hoch bewerteten Aktienmarkt den Anschein macht, ist Schaeffler im historischen Vergleich keineswegs günstig bewertet.
Fazit
Die Schaeffler AG ist ein traditionsreiches Unternehmen mit einer Geschichte von über 100 Jahren und stellt am deutschen Aktienmarkt nach traditionellen Bewertungsmaßstäben derzeit sicherlich eine der günstigsten Aktien dar. Zudem hat man mit Klaus Rosenfeld seit 2014 einen CEO, der ursprünglich aus der Finanzbranche kommt und sicherlich dazu fähig ist, die Kosten unter Kontrolle zu halten und ein besonderes Augenmerk auf die Profitabilität der Geschäftsbereiche legt.
Dennoch sind die hohen Risiken des Geschäftsmodells nicht zu übersehen. Die Elektromobilität und auch die Automatisierung bedroht derzeit trotz der verstärkten Ausrichtung auf zukünftige Mobilität beinahe jeden Geschäftsbereich, in dem Schaeffler tätig ist. Schaeffler selbst rechnet bereits 2035 mit einem weltweiten Anteil von reinen Elektroautos von 50 Prozent am Gesamtmarkt, während nur noch 15 Prozent aller Neuzulassungen reine Verbrenner darstellen. 35 Prozent der Neuzulassungen sollen aus Hybriden bestehen. Die Sparte Motorsysteme liefert derzeit ca. 30 Prozent des Umsatzes der “Automotive Technologies” und somit 18,8 Prozent am Gesamtumsatz. Ein starker Rückgang des Umsatzes in diesem Bereich wäre für das Unternehmen schwer zu kompensieren.
Das Unternehmen selbst schreibt in seiner strategischen Roadmap 2025 von einer nötigen Beschleunigung der Produktentwicklung hin zur E-Mobilität und dem Risiko eines Margenfalls im Bereich “Automotive Aftermarket”. Spezielles Augenmerk möchte das Unternehmen somit auf die Free-Cash-Flow Steuerung und selektive M&A Tätigkeiten legen.
Schafft Schaeffler erfolgreich die Transformation zu einem der wichtigsten Zulieferer für Elektromobilität und autonomes Fahren, winken Aktionären hohe Kursgewinne. Derzeit ist allerdings auch die Unsicherheit und somit das Risiko besonders groß, was in der aktuellen Bewertung auch entsprechend reflektiert ist. Dividendeninvestoren müssen sich dessen ebenfalls bewusst sein, da zukünftige Kürzungen der Dividende aufgrund der hohen Investitionsanforderungen durchaus realistisch erscheinen.
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Der Autor und/oder mit dem aktien.guide verbundene Personen oder Unternehmen besitzen oder können Anteile von Schaeffler besitzen. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.