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“Es werden Jahre vergehen, bevor das Unternehmen [Palantir Technologies (Isin: US69608A1088)] in akzeptable Bewertungsmaßstäbe auf Basis der erwirtschafteten Gewinne hineinwächst - selbst wenn das Unternehmen es schafft, seine hohen Margen beizubehalten und die aktienbasierte Vergütung weiter zurückfährt. Im Gegensatz dazu bleibt das Rückschlagspotenzial bei operativen Schwächephasen hoch, sodass Palantir auf dem aktuellen Bewertungsniveau kein gutes Chance-Risiko-Verhältnis aufweist. Anleger sollten die Bewertung und die Entwicklung der Palantir Technologies Aktie jedoch weiterhin im Auge behalten.”
So lautete das Fazit unserer ersten Aktienanalyse zu Palantir Technologies im Jahr 2021. Palantir wurde damals mit einem sehr sportlichen EV/Sales von rund 24 bewertet, was wenig Aufwärtspotenzial für den Aktienkurs erwarten ließ. Tatsächlich folgte auf diese Analyse eine längere Schwächephase der Palantir-Aktie. Genau ein Jahr später notierte die Aktie im Tief bei knapp über 6 US-Dollar.
Quelle: Palantir Kursentwicklung
Wer dachte, Palantir erlebe einen schleichenden Niedergang, täuschte sich jedoch gewaltig. Knapp zwei Jahre später hat sich der Kurs vom Tief aus mehr als verzehnfacht. Daran ändert auch der jüngste Rücksetzer des Aktienkurses nichts. Im Zuge des Hypes um Künstliche Intelligenz (KI) und Big Data Aktien machten die Anleger in Palantir einen der großen Gewinner aus. Und Palantir wusste das zu nutzen. Plötzlich ist in den Aktionärsbriefen von CEO Alex Karp die Rede von einer auf künstlicher Intelligenz basierenden Plattform, an der Palantir bereits seit der Gründung zwei Jahrzehnte zuvor arbeite. Die Anleger glaubten an die Superkräfte der neuen “AIP”-Plattform und schickten die Palantir Aktie auf neue Rekordhochs. Mittlerweile ist Palantir mit dem deutlich über 50-fachen EV/Sales bewertet – und eine der absoluten Lieblingsaktien der Privatanleger. Zudem wurde Palantir zum 23. September in den S&P500 Index aufgenommen.
Zeit, sich der Palantir-Aktie erneut zu widmen. Was hat sich in den letzten Jahren verändert, dass die Palantir-Aktie so stark gestiegen ist? Gehört das Unternehmen wirklich zu den Gewinnern der Zukunft? Was ist von der neuen Plattform zu halten? Und lässt die aktuelle Bewertung noch Spielraum für eine gute Kursentwicklung? All diese Fragen versuchen wir in unserem Update zur Palantir-Aktie zu (er)klären.
Das erst im Jahr 2003 gegründete Unternehmen Palantir fokussierte sich in seinen ersten Jahren auf Software, die es den Regierungsinstitutionen die Terrorismusbekämpfung erleichtern sollte. Erst in den letzten Jahren verlagerte Palantir sein Geschäftsmodell immer mehr auch auf Unternehmen. Grundsätzlich ist Palantir für zwei unterschiedliche Plattformen bekannt: Palantir Gotham, das speziell für Regierungen und öffentliche Institutionen kreiert wurde, und Palantir Foundry für Unternehmenskunden.
Beide Plattformen sollen den Kunden in der Integration und Analyse ihrer Daten helfen. Die Stärke des Unternehmens liegt darin, aus zahllosen und unverbundenen Datenpunkten ein reales und umfassendes Modell zu erstellen, um diese Datenpunkte nutzen zu können. Entscheidend ist für seine Kunden laut Palantir, dass die Daten sowohl überwacht als auch gesichert werden können und deren Zugang eingeschränkt wird, da es sich häufig um sensible Daten handelt.
Dies ist besonders bei Regierungen und Geheimdiensten der Fall. Palantir nennt hier mehrere Situationen, in denen die Gotham Plattform Anwendung findet. So kann beispielsweise das US-Militär in Krisengebieten potenzielle Aufständische oder auch Terroristen digital überwachen, die zuvor händisch und individuell überwacht werden müssen, was sich in signifikanten Effizienzgewinnen widerspiegelt. Generell ist Palantir mithilfe seiner Plattform in die Koordination und Entscheidungsfindung des Militärs involviert.
In Unternehmen gibt es ebenfalls zahlreiche Anwendungsfälle. So kann Palantir dabei helfen, die Koordination beim Bau eines Airbus-Modells länderübergreifend zu ermöglichen und dabei Effizienzgewinne zu realisieren. Zugleich arbeitet das Unternehmen mit Apollo an einer dritten Plattform, die besonders auf Logistik und Infrastruktur zugeschnitten sein soll.
In den Jahren 2021 und 2023 hat Palantir zusätzlich noch zwei weitere Plattformen eingeführt, die die Einsatzbereiche der Software noch deutlich erweitern. Beide Plattformen arbeiten jedoch nicht selbständig. Sie sind in Gotham und Foundry integriert und sollen sicherstellen, dass aus der Datenanalyse der Plattformen sinnvolle Entscheidungen getroffen werden. Die erste Plattform, Apollo, wurde im Jahr 2021 eingeführt. Die Apollo-Plattform liegt in der Cloud und kann so neue Funktionen, Updates und Sicherheitsstandards zentral bereitstellen. Gleichzeitig erlaubt Apollo es dem Anwender, jegliche Software in einem sicheren Umfeld einzusetzen. Apollo ist somit auch als eine Cybersecurity-Plattform zu sehen.
Die deutlich größere Neuerung folgte jedoch im Jahr 2023. Mit der AIP, Palantirs Plattform für künstliche Intelligenz, wurde eine Plattform eingeführt, die maschinelles Lernen mit Sprachmodellen kombiniert. Diese Sprachmodelle, auch Large-Language-Models genannt (Chat GPT ist hier wohl das beste Beispiel), können Informationen in menschengerechte Sprache verarbeiten und darauf basierend Handlungsanweisungen geben. Die Besonderheit der AIP ist laut Palantir, dass die Plattform öffentlich zugängliche Informationen mit privaten Unternehmensinformationen kombiniert. Zudem sollen auch branchenspezifische Anforderungen an die Datennutzung berücksichtigt werden. All das führt laut CEO Karp zu einer Plattform, die die Anwendbarkeit der durch Daten erhaltenen Informationen in der realen Welt sicherstellt. Gleichzeitig möchte Palantir die rechtlichen, regulatorischen und moralischen Standards einhalten.
In der Praxis beschreibt Palantir eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten. So könnte ein Geheimdienstmitarbeiter abfragen, welche Einheiten in welcher Region strategisch am besten eingesetzt werden könnten. Im Unternehmenskontext könnte man die AIP unter anderem nach dem besten Einsatz von Arzneimitteln fragen und ob deren Produktion hochgefahren werden könne.
Vollmundig behauptet CEO Karp in seiner Ankündigung der AIP, dass absehbar jede große Organisation dieser Welt ein solches System benötigen wird. Gotham und Foundry in seiner Gesamtheit zählt er hierbei zu den bedeutendsten branchenspezifischen Datenbeständen. Und die Zahlen geben seinen Aussagen recht.
Palantir konnte im 3. Quartal um 30% im Umsatz wachsen. Verglichen mit den vorherigen Quartalen bedeutet dies eine kontinuierliche Beschleunigung des Wachstums im Umsatz. In den letzten 6 Quartalen stieg das Umsatzwachstum sukzessive von 13% auf 30% an. Das sieht man auch im Chart unten, der das Umsatzwachstum der letzten 12 Monate (TTM) misst:
(Quelle: Aktien.Guide)
Getrieben wurde das Wachstum vor allem von den Kunden aus den USA. Die Umsätze im Bereich der Unternehmenskunden stiegen um etwa 54% gegenüber dem Vorjahr. Noch deutlicher stieg jedoch die Kundenzahl – um ganze 77% gegenüber dem Vorjahr. Das bedeutet, dass Palantir seine Umsätze auf immer mehr Schultern verteilt, also unabhängiger von Einzelkunden wird. Auch mit der US-Regierung macht Palantir immer mehr Umsatz. Hier steht ein Wachstum von 40% im Vergleich zum Vorjahr zu Buche. Europa hingegen kritisiert CEO Karp für seine Zurückhaltung bei Investitionen in die künstliche Intelligenz.
Im Quartal konnte Palantir zudem eine Reihe von Updates vermelden. So ist man ein entscheidender Partner für die Ukraine und konnte eine Reihe neuer Verträge abschließen. Insgesamt konnte Palantir im vergangenen Quartal 104 neue Kunden mit über 1 Million Dollar Umsatzvolumen gewinnen. Dazu zählen auch Großkunden wie Maven Smart Systems AI/ML, dessen Vertragsvolumen auf bis zu 100 Millionen Dollar innerhalb von 5 Jahren steigen kann. Außerdem findet Palantirs Software mit dem Namen “Visual Navigation” nun auch bei autonomen Drohnenmissionen Anwendung.
Palantir wächst aber nicht nur kräftig im Umsatz, sondern wird auch immer profitabler. Während die Bruttomarge seit einigen Quartalen bei etwa 81% stagniert, steigt die EBIT-Marge kontinuierlich an. Im vergangenen Quartal erreichte sie mit 16% ein neues Hoch und lag deutlich über dem Vorjahreswert. Die Quartalszahlen lesen sich insgesamt wie folgt:
(Quelle: Gewinn- und Verlustrechnung Palantir)
Das gestiegene Umsatzwachstum sowie höhere operative Margen spiegeln sich auch in höheren Cash-Flows wider. Dies hat zur Folge, dass der Rule-of-40 Score wieder deutlich über der 40%-Marke liegt. Aktuell weist er einen Wert von knapp über 60% auf:
(Quelle: Rule of 40 Chart Palantir)
Alles bestens also? Nicht ganz. Auch bei den Zahlen von Palantir kann man einen Makel finden – die steigende Anzahl der ausstehenden Aktien. Im Jahresvergleich stiegen diese im dritten Quartal um etwa 4%. Das ist nicht außerordentlich viel – aber eben doch ein kleiner Wermutstropfen auf die ansonsten überragenden Zahlen. Bereits in den letzten Jahren stieg die Anzahl ausstehender Aktien bei Palantir – auch begünstigt durch aktienbasierte Vergütung, stetig an:
(Quelle: Aktien.Guide)
Die Bilanz des Unternehmens hingegen liest sich nach wie vor blitzsauber. Palantir hat weiterhin einen hohen Cashbestand, der problemlos reichen würde, um die Verbindlichkeiten des Unternehmens zu decken. Beim derzeitigen Zinsniveau hat das den angenehmen Nebeneffekt, dass Palantir alleine durch das Cashpolster schon gut verdient. Aus diesem Grund ist der Nettogewinn auch deutlich über dem EBIT, wie oben in der Gewinn- und Verlustrechnung zu sehen ist. Darüber hinaus besitzt Palantir kaum immaterielle Vermögensgegenstände. Das spricht dafür, dass Palantir in den vergangenen Jahren keine überteuerten Übernahmen getätigt hat. Die Bilanz sieht zum 30.09.2024 wie folgt aus:
(Quelle: Aktien.Guide)
Das Unternehmen Palantir ist zunehmend stärker mit der Personalie Alex Karp verbunden. Karp gründete Palantir im Jahr 2003 zusammen mit Peter Thiel, nachdem beide bereits erfolgreich in Start-Ups investierten und Milliardäre wurden. Seitdem ist Karp für Palantir tätig. Karp, der auch in Deutschland an der Uni Frankfurt einen Doktor-Titel in Philosophie erlangte, gilt als einer der schillerndsten und einflussreichsten CEOs in Amerika. So sendet er Palantirs Mitarbeitern beispielsweise Weihnachtsgrüße vom Skilaufen, was er angeblich täglich 5 Stunden praktiziert. Unter anderem seine offensiven politischen Aussagen, seine Unterstützung für Israel und der lange zweifelhafte Ruf Palantirs wegen seiner Nähe zum US-Militär brachte ihm eine gemischte Reputation ein. Karp zeigt ebenso offen, dass er kein Fan von Donald Trump ist. Auch dies brachte ihm einige Meinungsverschiedenheiten mit Co-Gründer Peter Thiel ein – ein glühender Unterstützer Trumps. Dass eine zu hohe Abhängigkeit von einem exzentrischen CEO auch Probleme mit sich bringt, zeigt nicht zuletzt Tesla-Chef Elon Musk regelmäßig. Fakt ist jedoch auch – Alex Karp führt Palantir seit 20 Jahren extrem erfolgreich.
Durch seinen starken Kursanstieg in den vergangenen Jahren hat Palantir mittlerweile eine atemberaubende Bewertung erreicht. Das EV/Sales Verhältnis steht bei über 50. Schaut man sich das Verhältnis des Unternehmenswerts zum Free Cash-Flow an, liegt dieses bei 150. Das Kurs-Gewinn Verhältnis beträgt sogar 340 – das sind Zahlen, die sehr außergewöhnlich bei Unternehmen sind und sehr hohe Erwartungen an die Zukunft ausdrücken. Dies zeigt sich auch an Palantirs eigener historischer Bewertung:
(Quelle: Aktien.Guide)
Palantir ist damit sowohl auf Basis der Umsätze als auch des Free Cash-Flows so hoch bewertet wie noch nie zuvor. Damit wird Palantir extrem anfällig für stärkere Rücksetzer. Kaum ein Unternehmen im KI-Sektor ist aktuell so hoch bewertet wie Palantir. Selbst die Mutter aller KI-Firmen, Nvidia, ist mit einem EV/Sales von knapp 30 und einem EV/Free Cash-Flow von 60 günstiger bewertet.
Das Unternehmen Palantir hat definitiv ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell mit hohen Margen und prominenten Großkunden aus Wirtschaft sowie Politik. Besonders diese Mischung macht das Unternehmen interessant und attraktiv, da Schwächen in einem der beiden Kundensegmente durch das andere wieder aufgefangen werden können.
Das Modell einer großen, für viele Prozesse nutzbaren und integrierten Plattform macht es für bestehende Kunden extrem schwierig, zu Wettbewerbern zu wechseln. Die hohen Cash-Reserven ermöglichen es dem Unternehmen zudem, weiter zu investieren und gegebenenfalls externes Know-how einzukaufen, um den Wettbewerbsvorteil zu halten. Gleichzeitig zeigen die gewonnenen Neukunden in den USA den (vermeintlichen) Wettbewerbsvorteil, den Palantir derzeit genießt. An dieser Stelle muss jedoch erwähnt werden, dass Palantir allein aufgrund seines mit dem US-Militär verwobenen Geschäftsmodells Märkte wie China oder auch Indien verschlossen bleiben (könnten). CEO Karp spricht meist explizit von den USA und den europäischen Verbündeten.
Das große Problem ist jedoch die astronomisch hohe Bewertung des Unternehmens. In unserer ersten Analyse sprachen wir von einer “ambitionierten” Bewertung. Damals war Palantir jedoch bei etwa gleichem Umsatzwachstum mit einem EV/Sales von 24 weniger als halb so hoch bewertet. Der aktuelle Kurs lässt wenig Spielraum nach oben - sollte sich der KI-Hype aber etwas legen, hat Palantir großes Rückschlagspotenzial. Auf dem aktuellen Niveau bietet Palantir kein gutes Chance/Risiko-Verhältnis.
Auch die Analysten geben im Schnitt ein Kursziel knapp 30% unter dem aktuellen Kurs aus.
Es empfiehlt sich, einen EV/Sales bei beispielsweise 20 oder einen EV/FCF Alarm bei 40 zu setzen, um die Aktie dann erneut unter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls auf die Watchlist zu setzen.