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Nemetschek Aktie: Nachlassendes Wachstum bei hoher Bewertung

Geschrieben von Frank Seehawer | 5.5.2020
Wir leben in einem Zeitalter, in der die Digitalisierung zunehmend voranschreitet und immer mehr Geschäftsbereiche erfasst. Auch der Bausektor befindet sich seit Jahren in einem Prozess der Digitalisierung, durch den zwei deutsche börsennotierte Unternehmen eine außerordentliche Erfolgsgeschichte schreiben.

Mit RIB Software hatten wir ein solches Unternehmen vorgestellt. Das Wachstum war außerordentlich hoch, jedoch existierten zahlreiche kritische Artikel zum Vorstand und der Bilanzierungspraxis. Abschließend wurde das Stuttgarter Unternehmen von Schneider Electric übernommen.

Mit der Nemetschek Aktie (ISIN: DE0006452907) wollen wir heute einen zweiten Kandidaten vorstellen, der weniger stark in der Kritik steht, aber dennoch eine ähnlich gute Wachstumsstory aufweist.

Nemetschek überzeugt mit einer soliden Eigenkapitalquote und einer erstaunlich hohen Eigenkapitalrendite. Die starken Free Cashflows, die zur guten Finanzlage beitragen, sind charakteristisch für den aus Bayern stammenden Softwarekonzern.

Das Unternehmen Nemetschek

Nemetschek ist ein deutsches Softwareunternehmen mit Spezialisierung auf die AEC-Industrie (Architecture, Engineering, Construction). Mit seinen innovativen Lösungen deckt Nemetschek den kompletten Workflow im Lebenszyklus eines Infrastruktur- oder Bauprojektes ab. Kunden von Nemetschek sind beispielsweise Architekten, Ingenieure, Bauträger, Generalverwalter oder Gebäudemanager.

Ziel der Softwareprodukte ist es, ein optimales Zusammenspiel aller Prozesse durch eine möglichst komplette Digitalisierung zu ermöglichen. So können am Ende die Bauzeit, Qualität oder Kosten optimiert werden.

Nemetschek setzt hierbei auf 16 unabhängige Softwaremarken, die sich aus einem regelrechten “Übernahmefeldzug” angesammelt haben. Mit aktuell rund fünf Millionen Anwendern in 142 Ländern ist das Unternehmen einer der weltweit führenden Open BIM (Building Information Modeling) und 5D-Anbieter (3D-Model + Projektzeitplan und Projektkosten).

Die Geschäftsfelder der Nemetschek

Sein Geschäft gliedert der in München ansässige Softwarehersteller in die Bereiche Design, Build, Manage und Media & Entertainment. Die größte Bedeutung haben hier Design und Build. Zusammen erreichten sie im Geschäftsjahr 2019 einen Umsatzanteil von 88 Prozent.

Die Erlösstruktur der Nemetschek – über 50 Prozent wiederkehrende Erlöse

Mit einem Umsatzanteil von 53,8 Prozent stellen die wiederkehrenden Umsätze mittlerweile die führende Erlösquelle des Unternehmens. Auf Platz zwei kommen Softwarelizenzen mit einem Anteil von 41 Prozent. Das Geschäftsfeld Consulting & Hardware hat mit einem Umsatzanteil von 5,2 Prozent eine untergeordnete Bedeutung.

Die Absatzgebiete von Nemetschek

Nemetschek ist auf einem guten Weg, sich zu einem multinationalen Player zu entwickeln. Das Deutschlandgeschäft stellt mit einem Umsatzanteil von 25 Prozent nicht mehr die führende Absatzregion. Die Regionen Amerika und Europa (exklusive Deutschland) dominieren mittlerweile die Konzernumsätze mit einem Anteil von 34 und 32 Prozent. Der asiatisch-pazifischen Region kommt mit einem Umsatzbeitrag von 9 Prozent die bisher geringste Bedeutung zu.

Die letzten Quartalszahlen

Das Geschäftsjahr 2019 verlief äußerst positiv. Die Konzernumsätze konnten von 461 Millionen Euro um 20,7 Prozent auf 557 Millionen in Euro gesteigert werden. Wachstumstreiber waren hier die wiederkehrenden Umsatzerlöse aus Software-Serviceverträgen und Subskriptionen, die sich um 33 Prozent auf rund 300 Millionen Euro erhöhten. Sie stellen zusammen 54 Prozent der Konzernumsätze.

Auch beim Ergebnis konnte eine positive Geschäftsentwicklung vermeldet werden. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibung und Amortisationen (EBITDA) wurde von 121 um 36,6 Prozent auf 166 Euro gesteigert. Die entsprechende Marge beläuft sich auf 29,7 Prozent.

Der Konzernjahresüberschuss erreichte – vor allem wegen des Anteilsverkaufs der nicht strategischen DocuWare-Beteiligung – mit 127 Millionen Euro einen Wert, der um 66,3 Prozent über dem vergleichbaren Vorjahreswert von 76,5 Millionen Euro lag. Der Buchgewinn aufgrund des Verkaufs der 22,4-prozentigen DocuWare-Beteiligung lag bei 29,9 Millionen Euro.

Trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten aufgrund der Corona-Pandemie konnte Nemetschek einen soliden Jahresauftakt hinlegen.

So legte der Umsatz im ersten Quartal um 12,8 Prozent auf 147 Millionen Euro zu. Das EBITDA konnte um 14 Prozentauf 42 Millionen Euro gesteigert werden, während der Jahresüberschuss um 9,3 Prozent auf 21 Millionen Euro zulegen konnte.

Positiv ist, dass sich die wiederkehrenden Umsätze um 27,1 Prozent auf 86 Millionen Euro deutlich stärker erhöhten, als der Gesamtumsatz. Der Anteil planbarer Umsätze am Konzernumsatz beläuft sich nun auf 58,7 Prozent.

Ausblick

Beim Konzernausblick für das Geschäftsjahr 2020 bleibt der Vorstand aufgrund der langfristig intakten Wachstumstrends in den relevanten Märkten zuversichtlich.

Wegen des aktuell unsicheren Umfeldes geht der Vorstand aber zunächst davon aus, dass sich das Marktumfeld und damit auch die Nachfrage im zweiten Quartal deutlich verschlechtern wird. Eine Trendwende sollte erst im dritten und vierten Quartal 2020 einsetzen. Diese Annahme steht aber unter dem Vorbehalt, dass sich die branchenspezifischen Rahmenbedingungen nicht signifikant verschlechtern.

Erwartet wird für das Gesamtjahr 2020 nach Ansicht des Vorstandes eine zumindest stabile Entwicklung bzw. leichte Steigerung des Konzernumsatzes bei einer Ergebnismarge (EBITDA) von mehr als 26 Prozent. Im ersten Quartal 2020 lag diese bei 24,3 Prozent, im Geschäftsjahr 2019 bei 29,7 Prozent.

Aktienkursentwicklung

 

Quelle: Wallstreet-Online.de. Aktienkursentwicklung im Xetra-Handel bis zum 01.05.2020.

Analyse der Nemetschek Aktie – Wichtige Kennzahlen

Bei der Nemetschek gibt es einige Kennzahlen, die bemerkenswert sind. Primär stechen dabei die EBIT-Marge, Eigenkapitalquote sowie Eigenkapitalrendite hervor.

Erwähnenswert ist auch die gute Finanzlage. Zum Geschäftsjahresende existierten liquide Mittel in Höhe von 209 Millionen Euro. Die Nettoverschuldung lag bei gerade einmal 21 Millionen Euro und das bei einer Bilanzsumme von 857 Millionen Euro.

Mit zuletzt knapp 41 Prozent bewegt sich die Eigenkapitalquote seit Jahren auf einem hohen Niveau. Die Geschäfts- oder Firmenwerte der zugekauften Unternehmensteile beliefen sich zum Geschäftsjahresende 2019 auf 325 Millionen Euro und stellen damit knapp 38 Prozent der Bilanzsumme.

Die Eigenkapitalrendite als Quotient von Jahresüberschuss zu Eigenkapital erreicht mit 36,5 Prozent einen hohen Wert. Besonders erfreulich ist dies, da der Wert der Eigenkapitalrendite mit einem geringen Verschuldungsgrad erreicht wurde.

Bewertung der Nemetschek Aktie

Bei der Bewertung lässt die Euphorie allerdings stark nach. Gemessen am aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnis, welches bei knapp 78 liegt, zahlt man hier für die M&A-Story von Nemetschek einen hohen Preis. Besonders unter Einbezug des aktuell stark abfallenden Wachstums fällt die hohe Bewertung auf.

Wirft man einen Blick auf den Free Cashflow des Jahres 2019, welcher bei 76,6 Millionen Euro lag, so ließe sich bei einer aktuellen Marktkapitalisierung von 6,6 Milliarden Euro einen Multiplikator von 86,2 ausrechnen. Rechnet man die M&A-Investitionen heraus, so käme man auf einen Free Cashflow von 174,5 Millionen Euro. Gemessen an diesem Wert würde der Multiplikator zwar auf 37,8 sinken, aber dennoch hoch bleiben.

Analyse der Nemetschek Aktie – Fazit

Hersteller von Bausoftware profitieren von einem langfristigen Wachstumstrend, der Digitalisierung von Bauprozessen. Auch die im Jahr 1963 gegründete Nemetschek konnte in diesem Markt – besonders durch zahlreiche Akquisitionen – eine außerordentlich gute Unternehmensentwicklung vollziehen.

Positiv ist, dass mittlerweile über die Hälfte der Umsätze einen wiederkehrenden Charakter haben. Dennoch ist diese Zahl noch zu gering, um sich vor wirtschaftlichen Abschwungphasen zu schützen. Der Bausektor ist extrem von der Konjunktur abhängig und wird wahrscheinlich mit einiger Verzögerung die Auswirkungen Corona-Pandemie zu spüren bekommen.

Auch an den Prognosen des Vorstandes kann man eine solche Abschwächung deutlich erkennen. Der Vorstand rechnet nur noch mit einem stabilen Umsatz bzw. einer leichten Steigerung. Die EBITDA-Marge soll mit 26 Prozent deutlich unter dem Wert des Vorjahres liegen.

Gemessen an der aktuell immer noch hohen Bewertung ist die Aktie wenig attraktiv. Und dennoch herrscht in der Branche ein reges Übernahmefieber. Auch Nemetschek gehörte hier in der Vergangenheit zu den aktiven Käufern im Markt.

Vorstellbar wäre aber auch, dass Nemetschek selbst irgendwann zu einem Üernahmeziel wird. Zwei Fragen könnten in diesem Gedankenspiel vordergründig sein: Ist ein potenzieller Investor bereit, den hohen Preis von Nemetschek zu bezahlen und würde sich der Großaktionär Prof. Georg Nemetschek von seinen Anteilen trennen. 4,2 Prozent werden ihm direkt zugeordnet und 48,4 Prozent der Nemetschek Vermögensverwaltung GmbH & Co KG.

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Der Autor und/oder mit dem aktien.guide verbundene Personen oder Unternehmen besitzen oder können Anteile von Nemetschek besitzen. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.