Das klingt nach einer sehr ungewöhnlichen und für einen Investor sehr attraktiven Kombination, die die Porsche Holding SE aktuell aufweist. Und doch bewegt sich der Aktienkurs seit Jahren seitwärts und hat Investoren in der Vergangenheit wenig Freude bereitet.
Quelle: Porsche Holding Aktienkurs
Alles in allem Grund genug, sich die Aktie einmal genauer anzuschauen und ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Was macht die Porsche Holding genau? Warum ist sie aktuell auf Basis der Kennzahlen so günstig bewertet? Und wie ist die Verbindung zur Aktie der Porsche AG? Diese Fragen werden im folgenden Artikel beantwortet.
Um die Aktie der Porsche Holding SE vollumfänglich begreifen zu können, bedarf es einer kurzen Zeitreise in die Geschichte und Geflechte von Porsche und Volkswagen. War es noch sein Vater Ferdinand Porsche, der als Gründer der „Heckmotor-Auto Union“ mit dem Bau des ersten Volkswagens beauftragt wurde, konstruiert Sohn Ferry Porsche aus Teilen von Volkswagen-Modellen das erste Modell von Porsche, den 356. Während der Schwiegersohn von Ferdinand Porsche, Anton Piech, nach dem Tod Ferdinand Porsches im Jahr 1951 den Volkswagen Konzern aufbaut (die Porsche Holding führt die Vertriebsaktivitäten in Österreich), folgte 1963 dann der erste 911, bis heute das Markenzeichen des Automobilherstellers, gebaut von Ferry und Sohn Ferdinand Alexander Porsche.
Während Porsche und Volkswagen in den darauffolgenden Jahrzehnten einige Modelle wie die Porsches 914, 924 und 944, Cayenne sowie den VW Käfer gemeinsam bauten, passierte auf beiden Seiten einiges: Porsche wurde 1971 in eine Aktiengesellschaft, während Ferdinand Piech, Sohn von Anton Piech, zuerst NSU/Audi und nach seinem Wechsel dann Volkswagen zu Ruhm und Erfolg führt.
Während Piech in Wolfsburg ein Imperium aufbaut und Lamborghini, Bugatti, Seat, Skoda, Ducati und weitere Unternehmen zukauft, plant Porsche wiederum unter Wendelin Wiedeking nach weiteren Erfolgen wie Boxster und Cayman die Übernahme Volkswagens.
Im Jahr 2005 beginnt Porsche damit, im Geheimen Volkswagen Aktien aufzukaufen. Zu genau diesem Zweck kommt im Jahr 2007 erneut die Porsche Holding ins Spiel. Um die operativen Aktivitäten von den Zukäufen zu trennen, schafft Porsche eine Holdingstruktur. Die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG wird somit die operative Tochter der Porsche Automobil Holding SE.
Im Jahr 2008 hält Porsche etwa 42 Prozent an Volkswagen, mit Option auf weitere 31 Prozent. Trotz einbrechenden Verkäufen sowie der Finanzkrise kauft Porsche noch weitere Anteile und erlangt mit knapp über 50 Prozent die Mehrheit, bekommt aber zunehmend Probleme mit dem hohen Schuldenstand.
Im Gegenzug übernimmt Volkswagen die Porsche AG. Im Jahr 2012 ist die Übernahme abgeschlossen und die ehemalige Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG ist eine 100 Prozentige-Tochtergesellschaft der Volkswagen AG. Dies ändert sich im Zuge des Börsengangs von Porsche im Jahr 2021. Die Porsche Automobil Holding SE holt sich auch mittels der Aufnahme eines Schuldscheindarlehens 25 Prozent zzgl. einer Aktie der neu geschaffenen Porsche AG zurück. Ironischerweise half auch die Sonderdividende des VW-Konzerns aus dem Porsche Börsengang, die ja der Porsche Holding als Großaktionär zu deren Anteil zusteht, bei der Finanzierung der Porsche AG Aktien.
Wie im obigen Absatz beschrieben, ist das Geschäftsmodell der Porsche Holding SE auf den Zukauf von strategischen Beteiligungen ausgerichtet. Eine Holdinggesellschaft, wie die Porsche SE, ist eine Einheit, die darauf ausgelegt ist, in Vermögenswerte zu investieren, anstatt sich auf laufende Geschäftstätigkeiten zu konzentrieren. Dabei fokussiert sich die Porsche SE vornehmlich auf Beteiligungen im Automobilsektor. Die beiden Hauptbeteiligungen sind der Anteil an VW sowie der Anteil an Porsche. Die Porsche Holding warnt daher im Geschäftsbericht des Öfteren, dass ihre Geschäftsentwicklung sehr verzahnt mit der der beiden eben genannten Automobilkonzerne ist.
Interessant ist darüber hinaus, dass die Porsche Holding in Unternehmen investiert, deren operatives Geschäft mit zentralen Zukunftsthemen im Automobilsektor verbunden ist und die die aktuellen Geschäftsfelder von VW und Porsche (dem Automobilunternehmen, nicht der Holding) sehr gut ergänzen. Zu den Schlüsselbeteiligungen zählen beispielsweise ABB E-mobility, eine Tochter der ABB, die auf Ladeinfraktruktur für Elektroautos spezialisiert ist, sowie AEVA, Auroralabs, Celestial AI, Ethernovia oder INRIX. Sie alle haben den Schwerpunkt ihres Geschäftsmodells im Automobilsektor. AEVA kümmert sich beispielsweise um LIDAR Sensortechnologie, ohne die autonomes Fahren quasi unmöglich erscheint. Aurora Labs wiederum ist auf Over-the-Air updates und Fernwartung von Fahrzeugen spezialisiert, eine Technologie, die unter anderem für den großen Erfolg Teslas verantwortlich ist.
Ethernovia, Celestial AI und INRIX kümmern sich um die Datensammlung, -verarbeitung und -übertragung innerhalb der Fahrzeuge.
Unternehmen, die nur wenig Berührungspunkte mit dem Automobilsektor haben, finden sich im Portfolio kaum. Während Porsche in einige weitere Unternehmen mit den Schwerpunkten Quantencomputing und 3D-Druck investiert, zwei Bereichen, die für die Fertigung sowie das autonomie Fahren durchaus von Relevanz sind, ist das einzig wirklich fachfremde Unternehmen Isar Aerospace, das sich um Raketenstarts kümmert.
Die Porsche Holding SE handelt also im strategischen Interesse seiner beiden Schlüsselbeteiligungen und baut so ein Ökosystem rund um die Fertigung der Automobile auf, um mit neuen Playern im Automobilbereich wie Tesla, BYD oder Xpeng mithalten zu können, die sich alle zu einem großen Teil über Software, autonomes und elektrisches Fahren definieren. Dabei veröffentlicht die Porsche Holding leider den Anteil seiner Beteiligung nur für die beiden Schlüsselbeteiligungen. Allerdings differenziert die Porsche Holding seine strategischen Interessen bei den Beteiligungen. Laut Unternehmenspräsentation sind die Beteiligungen an VW und der Porsche AG langfristig ohne Verkaufsinteresse, während die aufgezählten, restlichen Beteiligungen einen kurzen Investitionshorizont mit konkreter Verkaufsabsicht bei Wertsteigerungen aufweisen.
An VW hält die Porsche Holding mittlerweile 53.3 Prozent der Stammaktien, was einem totalen Anteil von 31,9 Prozent an VW entspricht. An der Porsche AG hält die Porsche Holding 25 Prozent der Stammaktien zzgl. einer Aktie, was 12,5 Prozent des Konzerns entspricht. Beide Anteile am Konzern reduzieren sich, da sowohl VW als auch Porsche Stamm- und Vorzugsaktien am Aktienmarkt platziert haben.
Die Porsche Holding SE bilanziert sämtliche Beteiligungen, also auch die an VW und der Porsche AG, At-Equity. Dies ist ein gängiges Verfahren bei Anteilsbesitzen zwischen 20 Prozent und 50 Prozent und bedeutet, dass alle Gewinne anteilsgewichtet in die eigene Gewinn- und Verlustrechnung aufgenommen werden. Die Porsche Holding integriert also genau 31,9 Prozent der Gewinne von VW und 25,0 Prozent der Gewinne der Porsche AG in seine Gewinn- und Verlustrechnung – sowie alle anteilsgewichteten Ergebnisse der Restbeteiligungen. Dies liest sich wie folgt:
Quelle: Porsche SE Geschäftsbericht 2023
Zu sehen ist in dieser Grafik auch, dass die restlichen Beteiligungen in Summe aktuell verlustbringend sind.
Die Gewinn- und Verlustrechnung der Porsche SE ist insofern trügerisch, dass alle diese Gewinne rein bilanziell sind, ohne dass der Porsche SE auch nur ein Euro zufließt. Der Barmittelzufluss wird rein durch die Dividendenpolitik von Volkswagen und der Porsche AG bestimmt und betrug im Vorjahr nur einen Bruchteil des Konzernergebnisses. In Summe wurden von der VW AG (1,4 Mrd Euro) und der Porsche AG (114 Millionen Euro) ca. 1,5 Milliarden Euro an Dividenden überwiesen. Daher ergibt sich in den Kennzahlen des aktien.guide auch die große Diskrepanz zwischen dem KGV und dem Verhältnis des Enterprise Values zu Free Cashflow.
Quelle: Porsche Holding Kennzahlen
Selbst hat die Porsche SE ihren Aktionären knapp 800 Millionen Euro an Dividenden gezahlt, war einer Rendite von 5,2 Prozent entspricht. Für das Jahr 2024 bleiben der Holding somit rund 700 Millionen für Investitionen in Unternehmen zur Verfügung.
Werfen wir einen Blick auf die Bilanz:
Quelle: Porsche Holding Bilanz
Auf der Aktivseite stechen die Finanzanlagen hervor. Diese setzen sich hauptsächlich aus den At-Equity Bewertungen der beiden größten Beteiligungen zusammen. Darüber hinaus weist die Porsche SE noch ein Cashpolster von knapp einer Milliarde Euro auf.
Die Verbindlichkeiten liegen bei knapp über sieben Milliarden Euro und ergeben sich größtenteils aus den aufgenommenen Verbindlichkeiten im Zuge des Zukaufs der Anteile der Porsche AG. Gegenüber den Finanzanlagen fallen diese jedoch kaum ins Gewicht und sollten trotz des gestiegenen Zinsniveaus im Laufe der kommenden Jahre durch die Dividendenzahlungen problemlos abbezahlt werden.
Auch im Vergleich zum Eigenkapital der Porsche Holding von knapp 55 Milliarden ist das Fremdkapital klein, weshalb der Verschuldungsgrad mit 0,12 sehr niedrig ausfällt.
Ähnlich verzahnt wie die Beteiligungen der Porsche Holding SE mit ihr selbst ist auch der Vorstand. Hans-Dieter Pötsch als Vorstandvorsitzender ist zugleich der Aufsichtsratsvorsitzende der VW AG, Dr. Manfred Döss nimmt in beiden Konzernen den Vorstandsposten für Compliance und Integrität ein. Lutz Meschke, Vorstand für Beteiligungsmanagement der Porsche Holding ist zugleich auch CFO der Porsche AG: Dies birgt gewisse Risiken der Betriebsblindheit. Wie soll der Vorstand des größten Einzelaktionärs am VW Konzern erkennen und anmahnen, dass etwas in die falsche Richtung läuft, wenn er zugleich mit im Boot sitzt? Wie soll ein Vorstand für Integrität und Compliance derer Verstöße in der Beteiligung anzeigen, wenn er deren Ressort selbst leitet?
Sowohl der Porsche als auch der VW Konzern haben sich seit jeder durch eine hohe Konzentration der Macht auf die Familien Piech und Porsche ausgezeichnet. Dies war historisch sehr erfolgreich. Allerdings übt ein Großaktionär durchaus eine wichtige Kontrollfunktion auf sein Unternehmen aus und ist im Eigeninteresse auch dafür zuständig, Missstände im Unternehmen aufzuzeigen. In diesem Fall ist dies nur sehr bedingt gegeben, was ein nicht zu verachtendes Risiko darstellt. Etwas frischer Wind im Vorstand der Porsche Holding würde auch den Schlüsselbeteiligungen, gerade mit Blick auf die operativen Herausforderungen in der Automobilindustrie gut tun.
Um ein Fazit zur Porsche Holding SE zu ziehen, ist es wichtig, die operative Lage ihrer beiden Schlüsselbeteiligungen zu betrachten. Als Holdinggesellschaft liegt der primäre Wert der Porsche SE in diesen Beteiligungen, während der Wert operativer Unternehmen durch die von ihnen generierten Einnahmen bestimmt wird.
In der Automobilindustrie herrscht aktuell ein perfekter Sturm – gerade traditionelle Autohersteller müssen den Schwenk zur Elektromobilität hinbekommen, während neue, software-lastige Elektromobilhersteller, besonders aus China, die Vormachtstellung der Großkonzerne gefährden. Dies ist besonders im Massenmarkt spürbar, der seit vergangenem Jahr von Rabattschlachten, von Tesla initiiert, dominiert wird und nun auch noch ein Nachfrageproblem hat. Die VW-Kernmarke, mit einer operativen Rendite zwischen 3 Prozent und 6 Prozent ist ohnehin Welten entfernt von den Margen von Konzernen wie Stellantis (Peugeot, Fiat etc.) Für VW ist das nicht weniger als ein Überlebenskampf. Für andere Automarken wie Seat oder Skoda gilt dies analog.
Es ist eine Herausforderung, konkurrenzfähige Elektroautos profitabel zu bauen, ohne die Entwicklung der Verbrenner zu gefährden. Diese Gewinne sind wichtig, um die aktuelle und zukünftige Existenz des Unternehmens zu sichern. Kürzlich gab BMW bekannt, dass es als einer der wenigen Hersteller gelingt, Elektroautos profitabel zu verkaufen. Allerdings erreichen diese noch nicht die Margen der Verbrennermodelle. Von VW hat man in dieser Hinsicht noch keine vergleichbaren Aussagen gehört.
Audi, neben Porsche und VW dritte Kernmarke des Konzerns und einer der großen Gewinnbringer, hingegen hat mit einer veralteten Modellpalette zu kämpfen. Während die Konkurrenz um BMW und Mercedes in den vergangenen Jahren diverse Modelle auf den Markt brachte, besteht der Großteil der Audiflotte aus den 2010er Jahren, Modelle wie der Audi Q6 e-tron mussten wegen Softwareproblemen mehrmals verschoben werden. Dies führt auch dazu, dass Fahrzeugausstattung sowie -architektur bei Verkaufsstart gegenüber den neuen BMWs und Mercedes-Modellen veraltet sind – ein schwerer Wettbewerbsnachteil.
Porsche hingegen hat mit anderen Problemen zu kämpfen. Modelle wie der Macan und der Boxster dürfen im wichtigen Markt Europa wegen Cyber-Sicherheitsbestimmungen nicht mehr verkauft werden. Ob ihre elektrischen jeweiligen elektrischen Versionen, die in diesem bzw. dem nächsten Jahr auf den Markt kommen, diese fehlenden Verkäufe bei gleicher Profitabilität ausgleichen können, ist mehr als fraglich.
Bei allen Problemen und schleppenden E-Auto Verkäufen: VW hat eine starke Marke, jahrzehntelanges Know-How im Autobau und mit seinen vielen Marken in allen Marktsegmenten eine hohe Marktmacht und die Möglichkeit, Innovationen über alle Marken auszurollen und so Effizienzgewinne zu sichern. Porsche, auf der anderen Seite, hat eine außergewöhnliche Reputation und Strahlkraft bei der Kundschaft. Um den 911, Herzstück und Gewinnbringer des Konzerns mit Traum-Margen, von denen Autohersteller in der Regel nur träumen können – gibt es aktuell keine Elektrifizierungsgedanken. Die Gewinne aus den rund 300.000 jährlich verkauften 911-Modellen werden Porsche also noch auf Jahre erhalten bleiben. Auf der anderen Seite stellt das Verbot von Macan und Boxster auch eine Chance dar, über diese Modelle zu einem Vorreiter der Elektromobilität zu werden.
Ein weiteres Kriterium spricht für die positive Entwicklung beider Unternehmen – ihre günstige Bewertung. Bei VW ist es ein KGV von unter 5, bei Porsche ein KGV von knapp 15. Und trotzdem deckt alleine der Anteil an VW bereits den gesamten Unternehmenswert der Porsche Holding ab. Bei einer Marktkapitalisierung von VW von aktuell 70 Milliarden wäre der Anteil von 31,9 Prozent aktuell 22 Milliarden wert.
Man bekommt also, einfach gesagt, den Anteil von 12,5 Prozent an Porsche (aktueller Wert zwischen 8 und 9 Milliarden) sowie alle weiteren Beteiligungen gratis dazu. Die Porsche Automobil Holding beziffert ihren Abschlag zum Wert aller Anteile per Ende März auf 39 Prozent - über dem langjährigen Durchschnitt von ca. 32,5 Prozent. Selbst wenn man also nicht daran glaubt, dass sich die sehr günstige Bewertung von VW in den kommenden Monaten und Jahren bessert, kann die Porsche Holding Aktie eine lohnende Investition sein, wenn sich der Abschlag wieder dem historischen Niveau nähert.
Quelle: Porsche Holding Kursziel
Und die Dividende von mehr als 5 Prozent gibt es ja noch oben drauf. Dieser Meinung sind auch die Analysten. Trotz gemischter Empfehlungen geben sie der Aktie aktuell ein Potenzial von 25 Prozent.